Download
Der Ritter-Schatz Radirais
Der kalte Wind weht von Südwesten her über den See, verfängt sich in den Hügeln bei Efrizweiler und lässt hinter den dicken Mauern der Neuen Burg, des „nono castro Radirai", kaum noch das Feuer im Kamin flackern........
Der Ritter-Schatz.pdf
Adobe Acrobat Dokument 1.0 MB

DER RITTER-SCHATZ RADIRAIS

IST IN RADERACH NOCH IMMER UNENTDECKT

Heute zeugen ein Biergarten, ein alter Brunnen und drei Straßennamen von der alten Geschichte

Raderach Der kalte Wind weht von Südwesten her über den See, verfängt sich in den Hügeln bei Efrizweiler und lässt hinter den dicken Mauern der Neuen Burg, des „nono castro Radirai", kaum noch das Feuer im Kamin flackern. Von der Mauer hat man einen wunderbaren Blick auf den See mit seinen Fischerhütten, den ver­ einzelten Booten auf dem Wasser und auf die Berge, hinter denen sich die Gedanken von Adelheid von Radirai verlieren. Sie ist glück­ lich im Herbst des Jahres 1256. Bischof Eberhard von Konstanz hat den Kirchenbann aufgehoben, mit dem die Ritter von Radirai belegt waren. Sie waren schon 1140 raubend und brandschatzend durch das Land gezogen und hatten sich zuletzt an Gütern des Kloster Salem vergriffen. Daraufhin waren sie mit dem Bann belegt worden.

 

 

Zwei Ritter trieben ihr Unwesen

Diese Szene kann man sich bestens vorstellen, wenn man heu­ te auf dem höchsten Punkt, dem Fundament des Burgfrieds im Biergarten der Gaststätte Krone in Raderach steht und über Fried­ richshafen hinweg auf den See schaut. An dieser Stelle hatte Wern­ herus von Radirai die neue Burg bauen lassen. An ihre Existenz er­ innert heute für die flüchtig Vorbeifahrenden nur noch der Name Fichtenburgstraße oder vielleicht der Schlossweg oder die Ritter­ straße, die um den kleinen Ort führt. Und der wird von vielen und vor allem den dort lebenden Menschen als der schönste Ortsteil der Stadt bezeichnet. Das liegt mitunter auch an dem Biergarten, der dort ganz oben auf dem Drumlin thront, wo einst die Burg ge­ standen hat und Adelheid träumend gen Süden geschaut haben mag.

 

Zwischen 1768 und 1854 lebte der Pfarrer, Lehrer und Jugend­ schriftsteller Christoph von Schmid. Er hat die beiden Burgen der Raubritter von Radirai als Tannenburg und Fichtenburg bezeichnet. Die Tannenburg stand auf dem Weiherberg nahe der heute gleich­ namigen Deponie und ist heute nur noch als Ruinenrest vorhan­ den. Hier soll der dem Herzog von Schwaben zugeneigte Edelbert gewohnt haben. Die Fichtenburg auf dem Drumlin sei von Kunerich mit seiner Familie bewohnt gewesen, erzählt von Schmid. Diese beiden Ritter des Radirai-Geschlechts liebten sich wie der Teufel das Weihwasser. Wer heute in der Gaststätte Krone die Speisen­ karte aufschlägt, kann die Legende der beiden nachlesen, die wir an dieser Stelle zusammenfassen wollen:

 

Einst hatte der Herzog von Schwaben seinen Getreuen Ritter Edelbert gebeten, ihm Waffendienste zu leisten. Dieser aber lag verletzt auf seiner Burg und konnte dieser Bitte nicht persönlich nachkommen. So schickte er seine waffentragenden Männer mit und blieb mit seiner Tochter alleine zurück. Kunerich erfuhr davon und überfiel die benachbarte Burg, nahm Edelbert gefangen und ließ ihn in seinen Kerker werfen. Edelberts Tochter Rosa von Tan­ nenburg soll sich darauf bei einer im Wald lebenden Köhlerfamilie verdingt und sich als Magd schließlich Zugang zur Fichtenburg ver­ schafft haben. Dort versorgte sie heimlich ihren Vater im Kerker.

 

Eines Tages geschah auf dem Burghof ein Unglück. Der Sohn des Burgherrn wollte Tauben fangen, die auf dem Brunnenrand saßen, und fiel in den Schacht hinein. Dort soll er an einem Haken hängen geblieben sein, wodurch ihn Rosa von Tannenburg habe retten können.

 

Der Sohn überlebte und der raubritterliche Papa fiel dankbar vor der Magd auf die Knie, ihr jeden Wunsch zu erfüllen. Das Ende liegt wie in jedem Märchen nahe. Die Tochter wünschte sich die Freilassung ihres Vaters und beide zogen glücklich zurück auf ihre Burg.

 

 

Der Brunnen birgt ein Geheimnis

In Raderach wird diese Legende nicht nur als Märchen abgetan. Im Keller der besagten Gastwirtschaft steht der Brunnen noch. Und in der Tiefe ist sogar der Haken noch zu sehen, ein alter und großer Metallhaken. Der Brunnen verbirgt ein weiteres Geheimnis, an des­ sen Lüftung sich vor einigen Jahren schon Taucher gemacht haben. Offiziell wollten sie wissen, wie tief dieser Brunnen hinab reicht. Raderach befindet sich gut 90 Meter über dem Seespiegel, bis 41 Meter sind die Taucher hinab gekommen. Danach versperrten querliegende Balken den Weg und die Erkenntnis, ob in der Tiefe tatsächlich der auf dem Drumlin vermutete Schatz liegt.

 

Dieser Schatz soll aus den Raubzügen stammen und ist Grund dafür, dass es die Burg nicht mehr gibt. Nachdem es im Dreißig­ jährigen Krieg ein Jagdschloss war, bekam Konrad Endrass 1824 das Schloss. Er übergab es an Vinzenz Brugger und der ließ es Stein für Stein abtragen. Er glaubte an die Gerüchte um den Schatz und machte sich damit auf die Suche danach. Aus den Steinen wurden 1836 die heutige Gaststätte, der daneben liegende Bauernhof und die Kapelle gebaut. Gefunden wurde der Schatz bislang nicht, der einzige Ort, an dem er liegen könnte, wäre jetzt noch der Grund des Brunnens.

 

Wenn es heute über den Weiherberg aus Südwesten Richtung Raderach bläst, halten die alten Kastanien, die im Biergarten ste­ hen, den Wind auf Der Blick über den See auf die Alpen aber ist der gleiche wie anno dazumal und der kann zu Träumen anregen, kann die alten Geschichten lebendig werden lassen und macht aus Ra­ derach ein ganz besonderes Örtchen.

 

 Von Ralf Schäfer, Schwäbische Zeitung (Erschienen: 22.01.2013)